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Revolution in Sicht

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Alois Mochart ist kein typischer Revoluzzer, aber seine Ideen sind durchwegs revolutionär. Wie er mit seinem „Energieschiff“ in ein neues Energiezeitalter aufbrechen will und warum Energie mit seinem Konzept der Eigenenergie praktisch gratis sein müsste, erklärt uns der KöflacherInstallateur in seiner Unternehmenszentrale. Die radikalen Ansichten eines sanften Öko-Rebellen.

Text: Wolfgang Schober, Foto: Oliver Wolf

Kein Grund zum Schwitzen.

Es ist der heißeste Tag des Jahres. 36 Grad zeigt das Thermometer an diesem Montagnachmittag Ende August in Köflach. In gleißendes Licht getaucht, liegt hier in der St. Martinerstraße am Ortsende der Stadt das Energieschiff der Firma Mochart vor Anker. Schon von ferne grüßen die beiden Segel, zwei großflächige Photovoltaikpaneele, vom Deck des Schiffs. Ein solares Ahoi. Die weißen Planken spiegeln sich in der glatten Wasserfläche ringsum.

Kein Lüfterl weht, die Sonne glüht. Eine Rampe führt ins Innere. Alois Mochart begrüßt uns in seinem Büro im hinteren Teil des Gebäudes. Die Temperatur: erfrischend angenehm.

Dass dahinter keine herkömmliche Klimaanlage steckt, hatten wir bereits vermutet. „Wir kühlen mit den Erdsonden unserer Erdwärmeanlage“, erklärt Mochart fast beiläufig. Für die Verteilung werden in die Betondecke eingelegte Rohre genutzt. „Diese Art der Klimatisierung verursacht keinen Lärm und keinen Zug.“ Bloß die Kosten einer Umwälzpumpe, deren Betrieb durch die hauseigenen Photovoltaikanlagen kostenfrei möglich wird. „3.840 Watt Sonnenstrom kommen im Moment gerade vom Dach, allein von einem Segel“, liest Mochart von einem Display in seinem Büro, quasi die Kommandobrücke des Energieschiffs, ab. „Mit dieser Energie könnte man 30 Kühlschränke gleichzeitig betreiben.“

 

Aufbruch in ein neues Zeitalter

Das Energieschiff, Firmensitz des Installationsunternehmens Mochart, wird seinem Namen mehr als gerecht: Erdwärme zum Heizen im Winter und zum Kühlen im Sommer, insgesamt 170 m2 Photovoltaik zur Stromproduktion, dazu noch eine Luftwärmepumpe, die den Altbestand des Gebäudes sowie das angeschlossene Wohnhaus mit Wärme und Warmwasser versorgt, und eine Gesamtkonzeption des Gebäudes als Passivhaus, des ersten gewerblichen in der Steiermark – soweit das energetische Grundprofil dieser Spezialkonstruktion, die Alois Mochart vor drei Jahren errichtete und damit eine Vision realisierte: das Energieschiff als Symbol des Aufbruchs in ein neues Zeitalter der Energie.

Ein begehbares Modell als Anschauungsobjekt für die Leistungsfähigkeit erneuerbarer Energiesysteme. Fast eine Ironie des Schicksals, dass dieses Schiff ausgerechnet im ehemaligen Kohle-Pott der Weststeiermark seinen Heimathafen hat. Und doch alles andere als ein Zufall.

 

Der Nachbar war schuld

„Ich hatte einen Nachbarn, der mit Köflacher Kohle heizte“, erinnert sich der Installateurmeister zurück. „Wegen des Kohlegeruchs konnte ich den ganzen Winter mein Schlafzimmerfenster nicht öffnen, da fing ich an, mir Gedanken zu machen: Wer ist eigentlich verantwortlich für eine saubere Atemluft, unser Lebensmittel Nummer eins?“ Politiker als Problemlöser schloss er gleich einmal aus – „Die werden’s gar nicht wissen und haben überdies andere Sorgen.“ – ebenso andere Branchen und Berufe. „Letztlich blieb für mich nur der Installateur übrig: Wer sonst kümmert sich um Heizung und Energie?“ Also fasste Mochart einen Entschluss: sein Leben fortan menschen- und umweltfreundlichen Formen der Energiegewinnung zu widmen. Das war vor rund 20 Jahren.  Längst stünden die geeigneten Technologien, diese Energie anzuzapfen, zur Verfügung. Die beiden zentralen: Erdwärme-Lösungen und Photovoltaik. Idealerweise in Kombination.

Gerade von den Vorzügen der lange Zeit als „Stromgerät“ denunzierten Wärmpumpe ist Alois Mochart vollends überzeugt: „70 bis 80 Prozent der übers Jahr benötigten Energie kann ich damit gewinnen. Und das Ganze emissions- und wartungsfrei, ohne Transportkosten, Heiz- und Lagerraum. Einmal eingebaut, funktioniert das System wie von selbst.“ Das Funktionsprinzip ist uralt: Die Wärmepumpe entzieht einem Reservoir – Erde, Wasser, Luft – über ein Kupferrohr mit einem speziellen Kältemittel Wärme und gibt die gewonnene Energie auf der anderen Seite in einem Wohnraum wieder ab. Ähnlich die Luftwärmepumpe, bei ihr wird die Energie dem Medium Luft entzogen.

Mocharts Grundansatz ist ebenso philosophisch wie banal. Der Weststeirer stellte sich die Frage nach dem Ursprung jedweder Energie auf der Erde und stieß auf eine schlüssige Antwort. „Egal, ob in fossilen Energieträgern oder in Bäumen aus dem Wald – immer ist es die Energie der Sonne, die darin gespeichert ist. Ihre Wärme ist aber auch im Boden, im Wasser und in der Luft gespeichert. Und wir Menschen haben nun Techniken entwickelt, diese Energien nutzbar zu machen. Daher ist es für mich absurd, Energie immer noch teuer und umweltschädlich von weither zu transportieren, während sie uns kostenlos direkt vor der Haustür zur Verfügung steht“. Oder – wie es Mochart zugespitzter formuliert: „Wir geben Geld hinaus und holen dafür den Dreck – in Form von Emissionen – herein. Statt dass wir das Kapital der Natur auf unserem Grundstück gratis nutzen. Jeder Hausbesitzer ist heute eigentlich Energie-Milliardär. Wir brauchen die Energie bloß abzuholen.“ Dafür prägte Mochart auch den Begriff der „Eigenenergie“ – Energie von zuhause.

 

Bedrohung für das System

Dass die Erd- bzw. Luftwärme ihren Siegeszug durch breite Bevölkerungsschichten trotz allem noch nicht angetreten hat, erklärt Mochart mit der geringen öffentlichen Aufmerksamkeit, die ihr geschenkt wird. Mehr noch: „Sie wird von öffentlicher Seite immer noch gerne totgeschwiegen. Es gibt kaum Förderungen, öffentliche Stellen listen sie oft nicht einmal als Alternative zu anderen Energieformen auf“, so Mochart. „Aber ich kann es verstehen. Energie aus dem Garten lässt sich nicht besteuern, an ihr kann der Staat nichts verdienen.D. h. Erdwärme, aber auch Photovoltaik in großem Stil, sind im Grunde eine Bedrohung für das System.“

Der Unternehmer spricht leise, fast schüchtern. Die geringe Lautstärke verleiht seinen Sätzen auf paradoxe Weise noch mehr Gewicht. Ebenso wie die Mischung aus Hemdsärmeligkeit, Hausverstand und dem Blick fürs große Ganze, die seine Erkenntnisse prägt. Und ihn umso überzeugender wirken lässt. Ein pragmatischer Visionär gewissermaßen. Oder je nachdem: ein sanftmütiger Rebell. Denn tatsächlich bergen die Überzeugungen des Alois Mochart in ihrem Kern Revolutionäres und rütteln an den Grundfesten unseres gesamten Wirtschaftssystems. „Wie sollen die Landesenergieversorger in Zukunft die vielen Millionen Euro für die Landesbudgets überweisen, wenn sich immer mehr Bürger autark selbst versorgen? Als Politiker würde mir das auch nicht gefallen“, zeigt Mochart Verständnis. Denn die Energiewende, von der Mochart spricht, geht weit über jene hinaus, die seit Jahren öffentlich diskutiert wird. „Erneuerbare Energien wie Winkraftanlagen, riesige Photovoltaikparks und einfache Pelletsheizungen sind zwar ökologisch sinnvoll, aber man muss diese Energie ja immer noch kaufen.“ Der Mensch bliebe also abhängig von Energie-Anbietern. „Und ich glaube, dass wir uns davon befreien könnten. Ich bin der Meinung, dass Energie praktisch gratis sein müsste. In meinem Modell funktioniert das auch.

Ganze Wirtschaftszweige wären freilich betroffen – weit über die Mineralöl- und Erdgasindustrie hinaus. In der Energiewelt Mocharts braucht es keine Energie-Lieferanten mehr, keine Dienstleister für Service und Wartung von Heizanlagen. „Die Rauchfangkehrer sind schon lange auf mich böse“, gesteht Mochart. Ist seine Energie-Vision somit gar wirtschaftsfeindlich? „In gewissem Sinne ja. Aber wenn wir damals an der Kutscherei und am Hufschmied festgehalten hätten, hätte sich nie eine Autoindustrie entwickeln können. Wenn wir zu sehr klammern, werden uns andere den Rang ablaufen. In manchen Bereichen haben es die Chinesen eh bereits getan.“

 

Bitte, keine Förderungen!

Aber die Entwicklung lasse sich ohnehin nicht aufhalten. „Ich bin sicher, dass der Zug der kleinen Leute immer noch die größte Macht besitzt. Und dass das Bewusstsein der Menschen immer schon weiter war als die große Politik“, so Mochart. „Und die Menschen kommen nun mehr und mehr drauf, dass sie nicht drei Monate im Jahr für ihre Energiekosten arbeiten wollen“, so der Pionier, der von der Wirtschaftlichkeit der Eigenenergie freilich felsenfest überzeugt ist. 400 Euro pro Monat, rechnet Mochart, wendet eine durchschnittliche steirische Familie in einem Wohnhaus für Strom und Heizung auf. „Wenn die Energiepreise nur um 10 Prozent steigen, sind das in zehn Jahren 65.000 Euro, die pro Haushalt unseren Lebensraum verlassen. Das Geld ist dann einfach weg. Oder ich zapfe die Natur an, investiere einmalig rund 13.000 Euro für eine Wärmepumpe und 10.000 Euro für Photovoltaikmodule, und beziehe Gratisenergie für Jahrzehnte.“

So wie es viele von Mocharts Kunden bereits tun. Mehr als 3.000 Gebäude habe er in den letzten Jahren auf Erdwärme bzw. Luftwärmesysteme umgestellt und rund 8.000 m2 Photovoltaikfläche montiert. „Unsere Kunden sind unsere besten Referenzen“, erklärt Mochart, der Photovoltaik-Paneele für die derzeit beste Anlageform Europas hält. „Wir haben das genau durchgerechnet: Bei nur 60 Prozent Eigenverbrauch beträgt die jährliche Rendite einer haushaltsüblichen Anlage 11,3 Prozent – wo bekommen Sie heute mehr für Ihr Geld?“, so der Unternehmer. Dafür bräuchte es nicht einmal Förderungen von öffentlicher Hand. „Ich bin der Überzeugung, Förderungen lenken ohnehin bloß ab. Das Problem ist, dass dadurch nicht die Energie aus der Natur im Mittelpunkt steht, sondern die Förderung bzw. die Sorge, dass der Nachbar dann mehr kriegt als man selbst.“

Keine Förderung, sondern ein Öko-Partnerschaftsmodell mit Gewerbebetrieben – das ist die neueste Idee des Querdenkers, mit der er gleich mehrere Ziele verwirklicht sieht. Gewerbe- und Gastronomiebetriebe, die auf Sonnenenergie umsteigen, sollten ihren Stromgewinn – so Mocharts Idee – an ihre Kunden weitergeben. Diese bekämen für 200 Euro einen Gutschein im Wert von 280 Euro und partizipieren auf diese Art an der Sonnenstromrendite des Betriebs, der sich wiederum über ein innovatives Kundenbindungsinstrument freuen kann. „Meine Erfahrung ist nämlich, dass Private hier schon viel weiter sind und oft wirtschaftlicher denken als Geschäftsleute. Absurd, da gerade diese den meisten Strombedarf tagsüber haben und daher am meisten von Photovoltaikanlagen rausholen könnten.“

Wohl nicht die letzte Energie-Idee des Visionärs. Inzwischen steht auch die Sonne schon deutlich tiefer als zu Beginn unseres Gesprächs. Es ist später Nachmittag und das Display in Mocharts Büro zeigt immer noch über 3.000 Watt Leistung. Das Energie-Café des Energieschiffs ist gut gefüllt. Das Schiff selbst liegt weiterhin ruhig und fest in der Landschaft. Der Beweis scheint erbracht: Man kann auch fest verankert Neuland entdecken! Zumindest, wenn der Kapitän Mochart heißt.

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